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Pacing: So funktioniert die Therapie bei Long COVID

January 22, 2024

Die COVID-19-Pandemie richtet seit Anfang 2020 weltweit schwere gesundheitliche Schäden an. In vielen Gebieten der Welt haben sich die Gesundheitssysteme bereits grundlegend auf die Pandemie eingestellt. Doch für viele, die sich mit COVID-19 infiziert haben, ist das Ende noch lange nicht erreicht. Diejenigen nämlich, die unter Long COVID oder dem Post-COVID-Syndrom leiden. In Anbetracht der relativ kurzen Zeit, die Forschern und Gesundheitsdienstleistern für die Untersuchung von Long COVID zur Verfügung stand, wissen wir nicht, wie lange diese Krankheit ihre Opfer letztendlich beeinträchtigen wird.

Zum jetzigen Zeitpunkt gibt es keinen klaren Weg zur Heilung von Long COVID. Wir beobachten jedoch, dass sich die Situation mancher Betroffenen verbessert und sie sich erholen, während andere weiterhin unter den Langzeitfolgen mit Wellen von lähmenden Symptomen leiden.

Dabei zeigen sich deutliche Ähnlichkeiten zwischen Long COVID und der myalgischen Enzephalomyelitis (früher als chronisches Müdigkeitssyndrom bezeichnet und als ME/CFS bekannt). Bei vielen Patienten sind die Symptome ähnlich, und vor allem das Verhalten der Symptome gleicht sich in weiten Teilen. Dies hat dazu geführt, dass Angehörige der Gesundheitsberufe ME/CFS-Experten und entsprechende Fachliteratur konsultieren, um herauszufinden, wie man den Betroffenen helfen kann. Einer der Schlüssel zum Umgang mit ME/CFS ist das sogenannte Pacing.

Was ist Pacing?

Pacing bedeutet, den Energieverbrauch so zu steuern, dass die Symptome minimiert und die Wahrscheinlichkeit eines "Absturzes" verringert werden, der durch lähmende Müdigkeit und eine Verschlimmerung der bekannten Symptome gekennzeichnet ist. Dieser Zustand kann Tage oder Wochen dauern. Durch das Pacing lernen die Patienten, sich an das anzupassen, was ihr Körper verkraften kann, und gleichzeitig die bestmögliche Funktion unter den gegebenen Umständen zu erhalten.

Die Symptome von Long COVID und die Fähigkeit zur körperlichen und geistigen Anstrengung sind bei jedem Patienten unterschiedlich. Damit die Pacing-Therapie wirksam ist, muss sie auf den Zustand und das Stadium der Genesung des Patienten abgestimmt sein. Es gibt keine "Einheitsgröße für alle".

Was ist post-exertional Malaise?

Viele ME/CFS-Patienten leiden unter post-exertional Malaise (PEM). Dieser Begriff bezieht sich auf die starke Müdigkeit und die Verschlechterung der Symptome, die nach einer körperlichen oder geistigen Anstrengung auftreten können, die über die derzeitige Toleranzgrenze der Person hinausgeht. Die Symptome können dabei von einigen Stunden bis zu drei Tage lang andauern. Es ist wichtig zu wissen, dass es sich dabei nicht einfach um ein "Müdigkeitsgefühl" handelt. Die Müdigkeit und die anderen Symptome, die durch das post-exertional Malaise hervorgerufen werden, sind schwerwiegend und hindern die Patienten oft daran, überhaupt etwas zu tun. Es ist auch wichtig zu erkennen, dass diese Müdigkeit nicht auf eine Dekonditionierung zurückzuführen ist. Dieser Gedanke kann dazu führen, dass wohlmeinende Therapeuten und Ärzte einen aktiveren Ansatz fördern, der das Problem nur verschlimmert.

Bei körperlicher oder geistiger Aktivität ist es nicht offensichtlich, dass ein Patient "übertreibt". Die verzögerte Natur der post-exertional Malaise bedeutet, dass die Patienten erst im Nachhinein erfahren können, wie viel Aktivität zu viel ist. Dies macht die Interpretation der Symptome und die Änderung der Aktivität sehr schwierig und erfordert einen strukturierten Behandlungsansatz.

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Was bewirkt das Pacing?

Das Pacing ermöglicht es den Patienten, ihre körperlichen und geistigen Fähigkeiten so einzusetzen, dass sich die Symptome nicht verschlimmern und sie keinen Absturz erleiden. Der Patient lernt, seine Symptome zu interpretieren und sich an seine aktuellen Fähigkeiten anzupassen, ohne seine Aktivitäten völlig einzustellen. Eine völlige Einstellung der Aktivität über einen längeren Zeitraum führt zu einem verschlechterten Gesundheitszustand und einer schweren Dekonditionierung. Eine vorübergehende Einstellung der Aktivität ist jedoch manchmal sinnvoll und notwendig, um die Symptome unter Kontrolle zu bringen.

Wie fange ich mit dem Pacing an?

Der Prozess der Pacing-Therapie erfordert ein wenig ausprobieren, um den berühmten "Sweet Spot" zu finden. Dazu gehört, dass man einen Ausgangswert für die Aktivität findet, den die Patienten gut vertragen.

Das Führen von Aufzeichnungen über die Symptome und die körperliche Aktivität kann sehr hilfreich sein. Anhand dieser Informationen lässt sich interpretieren, wie sich die Aktivität auf die Symptome auswirkt.

Einige Strategien, die von Patienten als hilfreich empfunden werden, sind:

  • Schreiben Sie alle Aufgaben auf, die Sie derzeit erledigen. Unterteilen Sie diese dann in die Kategorien, was Sie tun MÜSSEN (z. B. Essen, Baden), was Sie tun SOLLEN und was Sie tun WOLLEN. Wenn die Symptome nicht unter Kontrolle sind und Sie eine neue Ausgangsbasis finden müssen, beschränken Sie sich möglicherweise auf die Spalte MUSS.
  • Machen Sie über den Tag verteilt häufig Pausen. Diese Pausen müssen eingelegt werden, BEVOR die Symptome beginnen. In den Pausen sollten Sie sich sowohl körperlich als auch kognitiv ausruhen. Der kognitive Energieaufwand kann genauso ermüdend sein wie körperliche Aktivität.
  • Erwägen Sie eine Änderung der Aufgaben. Kleine Änderungen wie das Sitzen bei der Zubereitung einer Mahlzeit können helfen. Suchen Sie nach Möglichkeiten, Ihr Umfeld und Ihre Aufgaben zu verändern, um den Gesamtenergiebedarf zu senken.
  • Wechseln Sie häufig die Tätigkeiten. Es ist besser, eine langwierige Aufgabe in mehreren Anläufen zu erledigen und dabei Pausen oder weniger anstrengende Aufgaben dazwischen zu legen.
  • Beobachten Sie Ihre Symptome und passen Sie sie entsprechend an.
  • Wenn Sie eine Steigerung Ihrer täglichen Aktivität in Erwägung ziehen, sollten Sie diese nur in sehr kleinen Schritten vornehmen und einige Tage abwarten, um die Auswirkungen auf Ihre Symptome zu beurteilen, bevor Sie eine weitere Steigerung vornehmen.

Pacing in moderner Therapie

Pacing ist eine Strategie, die auch in digitalen therapeutischen Maßnahmen Eingang findet. So sind beispielsweise die Therapiepläne der Long COVID-App myReha nach diesem Prinzip aufgebaut. Jeder Tagesplan ist so gestaltet, dass kleinere Therapie-Bits durchgeführt werden können, nach denen einfach zu entscheiden ist, ob man Pause machen möchte oder weitermachen. So kann man sich und seinen Energieaufwand Tag für Tag genau kennenlernt, während man die wissenschaftlich fundierten Übungen innerhalb der myReha App durchführt. Der Therapieplan ist dank modernen Algorithmen so gestaltet, dass er mit einem mitlernt. Die zertifizierte Therapie-App passt den Therapieplan also laufend, intelligent und automatisch an, damit man das für den Moment ideale kognitive Training durchführen kann.

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